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Foto: Bernd Höfer, Breklum

Kreishaus in der Marktstraße in Husum

24.02.2014

Migranten – wertvoller Zuwachs für den nordfriesischen Arbeitsmarkt

Sie hat an einem College in London Business und Finanzen studiert, besitzt einen Master-Abschluss in Psychologie, hat als Teamleiterin gearbeitet und wurde anschließend als Küchenhilfe beschäftigt. Stefka Nikolovas Problem: Sie sprach fließend englisch und russisch, aber nur gebrochenes Deutsch.

Deshalb war die erste berufliche Station der nach Nordfriesland eingewanderten hochqualifizierten Bulgarin eine Hilfstätigkeit im Gastgewerbe. Inzwischen hat Stefka Nikolova ihre Deutschkenntnisse ausgebaut und arbeitet nun beim Diakonischen Werk als Schulbegleiterin für ein behindertes Kind.

»Frau Nikolova besitzt aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Persönlichkeit ein hohes Potenzial, mit dem sie eine gesuchte Fachkraft auf dem nordfriesischen Arbeitsmarkt werden wird. Je besser sie deutsch spricht, desto interessanter wird sie für Arbeitgeber. Solche Leute brauchen wir«, erklärt der nordfriesische Landrat Dieter Harrsen.

Nationaler Integrationsplan

Doch Migrantinnen und Migranten haben es auf dem deutschen Arbeitsmarkt generell schwer. Anders als für Asylbewerber gibt es für Zuwanderer aus anderen EU-Ländern keine staatliche Stelle, bei der sie sich verpflichtend melden müssen, wenn sie in Deutschland leben wollen.

Um die Integration von Zuwanderern in die Gesellschaft zu fördern, beteiligt der Kreis Nordfriesland sich am Nationalen Integrationsplan, einer Initiative des Bundes. Als Projektleiter fungiert Peter Martensen aus der Migrationssozialberatung im Husumer Kreishaus.

Sprache als Schlüsselkompetenz

»Im Oktober 2012 haben wir in einer Veranstaltung mit 100 Teilnehmern den Startschuss gegeben und vier Arbeitsgruppen gegründet. Eine davon befasst sich mit dem Thema Migranten und Arbeit«, berichtet Peter Martensen. Sie wird von Axel Scholz, dem Leiter des nordfriesischen Jobcenters, und Holger Delfs, dem Chef des Sozialzentrums Husum und Umland, geleitet.

»Ein großes Problem bei der Integration aller Zuwanderer ist und bleibt die deutsche Sprache«, erläutert Axel Scholz. Deshalb hat die Arbeitsgruppe ein Projekt des Kreises mit dem Kinderschutzbund angeregt, in dem Migranten, die bereits ausreichend deutsch sprechen, ihren neu zugezogenen Landsleuten als Dolmetscher unter die Arme greifen.

Zusätzlich hat die Arbeitsgruppe bereits zwei Deutschkurse und Workshops zur interkulturellen Kompetenz initiiert, in denen das Verständnis für Menschen aus anderen Kulturkreisen gefördert wird.

Deutschland braucht Migranten

Der Nationale Integrationsplan nimmt alle Ausländer von allen Kontinenten in den Fokus, auch die Asylbewerber. Obwohl viele Asylbewerber kein Asyl erhalten, bleiben 80 Prozent von ihnen dauerhaft in Deutschland, weil die Verhältnisse in ihren Herkunftsländern eine Rückführung nicht erlauben.

»Ich freue mich sehr darüber, dass inzwischen auch auf den höheren politischen Ebenen erkannt wird, wie sehr wir diese Menschen brauchen, um unsere Gesellschaft funktionsfähig zu halten«, sagt Landrat Dieter Harrsen. »Wenn es uns gelingt, sie so zu integrieren, dass sie ihre Talente und Fähigkeiten voll entwickeln können, sichern wir damit auch unsere eigene Zukunft.«

Chancen für Frauen

Ein Beispiel für eine bestens integrierte ehemalige Asylbewerberin ist Tanzeela Shakoor. Sie kam 1985 als Zweijährige mit ihrer Familie aus Pakistan nach Hamburg. Die Shakoors gehören zur religiösen Minderheit der Ahmadiyya Muslim Jamaat, die nicht nur in Pakistan politisch verfolgt wird.

Nach einem langwierigen Verfahren wurde ihnen Asyl gewährt. 1997 fand der Familienvater einen Arbeitsplatz in Nordfriesland und zog mit seiner Familie nach Bredstedt.

Tochter Tanzeela verließ die Realschule mit einem sehr guten Zeugnis und bewarb sich als Verwaltungsangestellte beim Kreis Nordfriesland. Da sie in Deutschland aufwuchs, war die Sprache für sie nie ein großes Problem. Nach der Ausbildung wurde sie übernommen und arbeitet nach mehreren anderen Stationen inzwischen in der Finanzabteilung des Kreises.

Seit Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich als Beraterin für andere Migrantinnen und Migranten. Auch Peter Martensen bittet sie manchmal um Unterstützung bei der Beratung seiner Klienten.

»Weil ich selbst einen Migrationshintergrund habe, fassen viele Ausländer leichter Vertrauen zu mir«, bemerkt Tanzeela Shakoor. »Insbesondere Frauen sehen mich sicherlich häufig als Beispiel dafür, dass sie und ihre Töchter in Deutschland ganz andere Chancen haben als in ihren Heimatländern.«

Mit Ehrgeiz dabei

Alle Asylbewerber werden von Peter Martensen in der Migrationsozialberatungsstelle des Kreises willkommen geheißen und auf ihren ersten Schritten in Deutschland begleitet.

Peter Martensen legt Wert auf die Feststellung, dass die Migranten, die in Nordfriesland Fuß fassen, sich diesen Erfolg zu 99,5 Prozent selbst verdanken: »Sie sind mit Ehrgeiz und Leidenschaft dabei und wollen etwas aus ihrem Leben machen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Unterstützungsleistungen des Staates sind wertvolle Hilfen, aber auch nicht mehr als das.«

Bürokratische Hürden

Landrat Dieter Harrsen kennt zahlreiche bürokratische Hindernisse, die den Migranten zur Zeit noch das Leben schwer machen. »Insbesondere der Zugang zu Sprachkursen sollte für alle Migranten wesentlich vereinfacht werden. Die EU-Ausländer benötigen dafür sogar eine Zulassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge«, berichtet der Verwaltungschef.

»Wir müssen einsehen, dass Deutschland inzwischen zum Einwanderungsland geworden ist und uns mehr Mühe geben, die Menschen, die zu uns kommen, in unsere Gesellschaft zu integrieren.«

Bildungsabschlüsse übertragen

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse und Prüfungszertifikate. Von Holger Delfs organisiert, bietet Edibe Oguz im Sozialzentrum Husum und Umland seit mehr als einem halben Jahr jeden Donnerstagvormittag eine Beratung durch das IQ-Netzwerk an.

Dort beträgt sie Migranten unabhängig von ihrer Herkunft und Lebenslage zu der Frage, wie sie ihre im Heimatland erworbenen Bildungsabschlüsse in Deutschland anerkennen lassen können. Das bundesweite Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)« hat das Ziel, die Arbeitsmarktchancen von erwachsenen Migrantinnen und Migranten in Deutschland zu verbessern.